Sechs junge Autorinnen und Autoren kommen im September beim Schreibsommer 2024 in Mecklenburg-Vorpommern zusammen. In dem kleinen Ort Prillwitz in der Nähe von Neustrelitz arbeiten sie eine Woche lang in einem Workshop an ihren Texten. Bei den sechs Teilnehmenden handelt es sich um Caroline Benz, Alexander Groth, Anna Neuschäfer, Lisa Marie Pardemann, Sebastian Vetter und Kai Yanson.
Die öffentliche Abschlusslesung, während der sich alle Teilnehmenden mit eigenen Texten vorstellten, war in der Alten Kachelofenfabrik in Neustrelitz zu erleben.
Ausgewählt wurden die Teilnehmenden durch die Autorin Isabelle Lehn und den Autor und Verleger Bertram Reinecke. Die beiden leiteten auch den Workshop. Ob Lyrik, Prosa oder szenische Texte: Die Nachwuchsautorinnen und -autoren hatten in Prillwitz Zeit, an eigenen und gemeinsamen Texten zu arbeiten und dabei ihre Schreibpraxis auszufeilen. Im Intensivworkshop arbeiteten alle jungen Autorinnen und Autoren auf Augenhöhe mit Mentorin und Mentor zusammen, von denen sie nicht nur Feedback und Anregungen, sondern auch wertvolle Informationen und Hilfestellungen auf ihrem Weg als Schreibende erhalten haben. Die jungen Autorinnen und Autoren wurden aus zahlreichen Bewerberinnen und Bewerbern ausgewählt. Sie stammen entweder aus Mecklenburg-Vorpommern oder lebten bzw. leben im Bundesland. Für ihre Teilnahme am Schreibsommer bekommen sie ein Stipendium.
Organisiert wird der Schreibsommer vom LiteraturRat Mecklenburg-Vorpommern, finanziert wird er aus der Nachwuchsförderung des Ministeriums für Wissenschaft, Kultur, Bundes und Europaangelegenheiten Mecklenburg-Vorpommern. Der Schreibsommer findet jährlich statt, er richtet sich an Autorinnen und Autoren zwischen 18 und 30 Jahren, die aus Mecklenburg-Vorpommern stammen oder im Bundesland leben.
1. Wann hast du deinen ersten vorzeigbaren Text geschrieben und vorgezeigt?
Im Alter von 13 habe ich zum ersten Mal an einem Literaturwettbewerb in meiner Region teilgenommen. Ich weiß noch, dass es in der Geschichte um eine Drogendealerin ging. Gewonnen habe ich damit nichts, aber ein Jahr später habe ich wieder eine Geschichte eingereicht und war dann unter den Preisträger:innen. Meine Erstleserinnen waren und sind meistens meine Schwestern.
2. Was würde Dir im Leben fehlen, wenn es das Schreiben für Dich nicht mehr gäbe?
Schreiben ist für mich das, womit ich mich am wohlsten fühle. Ich habe mich für den Alltag und den Broterwerb mit einem medizinischen Beruf ganz bewusst gegen die Kreativität entschieden, brauche das Schreiben aber als Ausgleich, zum Verarbeiten – auch zum Entfliehen.
3. Wenn man von Literatur redet, denkt man zumeist unwillkürlich an Bücher. Wo begegnet Dir Literatur auch noch auf andere Weise oder wo suchst Du sonst noch Foren für das, was Du geschrieben hast?
Das Buch, das ich bisher am häufigsten gelesen habe, ist Alles, was wir geben mussten von Kazuo Ishiguro. Bücher, die mir in meinem letzten Lesejahr gefallen haben, waren unter anderen Die spürst du nicht von Daniel Glattauer und Nicht aus der Welt von Anne Köhler. Im Studium hatte ich außerdem viel Spaß auf Poetry-Slam-Bühnen, vor allem mit lustigen Texten.
4. Was ist für dich im Vergleich zu anderen Künsten das Besondere an der Literatur?
Ich brauche fast nichts dafür. Nichts, außer etwas, um darauf zu schreiben, und eine Idee. Ich bin im literarischen Schreiben nicht auf andere angewiesen, ich kann schreiben, was, wo und wann ich will. Das gefällt mir sehr.
Nach meiner Schullaufbahn in Neubrandenburg absolvierte ich an der Kooperativen Gesamtschule Altentreptow mit gymnasialer Oberstufe mein Abitur und begann anschließend eine Ausbildung zum Steuerfachangestellten in der Rechtsanwaltskanzlei Susanne Groth. Da ich mich schon seit meiner frühesten Kindheit für die darstellende Kunst interessiere, freute es mich ungemein, als mir ein Praktikum an der „Theater und Orchester GmbH Neubrandenburg/Neustrelitz“ ermöglicht wurde. Ich bin nicht nur in Mecklenburg-Vorpommern geboren, sondern verbrachte auch mein gesamtes bisheriges Leben in diesem wunderschönen Bundesland. Neben all meinen Freunden habe ich auch meine Freundin hier im Norden kennengelernt.
1. Wann hast du deinen ersten vorzeigbaren Text geschrieben und vorgezeigt?
In meinem engsten Familien- und Freundeskreis natürlich bereits als Kind. Ich habe auch schon einige Haikus in diversen Journalen veröffentlicht. Aber dass ich einen selbstverfassten Text öffentlich vortrage, habe ich vor der Lesung im Rahmen des Schreibsommers noch nie gemacht.
2. Was würde Dir im Leben fehlen, wenn es das Schreiben für Dich nicht mehr gäbe?
Wahrscheinlich hätte ich vor einigen Jahren noch geantwortet: „Nicht allzu viel.“ Mittlerweile bin ich froh, dass das Schreiben (wieder) zu einem festen Bestandteil meines Lebens geworden ist. Es bietet mir sowohl einen Ausgleich zum Alltag als auch eine Möglichkeit, die Geschehnisse in meinem Leben zu verarbeiten.
3. Wenn man von Literatur redet, denkt man zumeist unwillkürlich an Bücher. Wo begegnet Dir Literatur auch noch auf andere Weise oder wo suchst Du sonst noch Foren für das, was Du geschrieben hast?
Da ich vor ungefähr zwei Jahren mit dem Schreiben von Haikus begonnen habe, verbringe ich seither viel Zeit auf Internetseiten, auf denen sich Hobby-Haijin ausprobieren können. Ansonsten bleibe ich zumeist beim klassischen Buch.
4. Was ist für dich im Vergleich zu anderen Künsten das Besondere an der Literatur?
Die Freiheit. Allein durch Sprache etwas Neues und Berührendes zu erschaffen, ist unglaublich faszinierend. Die einzigen Grenzen liegen in uns selbst.
5. Schreiben kommt vom Lesen. Welches Buch hat dich zuletzt inspiriert?
Das dürfte wohl Dürrenmatts Die Panne gewesen sein. Die Überlegungen zu Schuld und Gerechtigkeit haben mir bei einem gegenwärtigen Schreibprojekt neue Pfade aufgezeigt.
6. Was kommt nach dem Schreibsommer?
Ich werde auf jeden Fall versuchen, fleißig weiterzuschreiben. Der Schreibsommer hat mir aufgezeigt, wie viel Freude es macht, sich intensiver mit Texten auseinanderzusetzen. Mein Blick auf das Schreiben an sich hat sich in dieser Zeit definitiv geschärft.
Kurz nachdem der Euro die D-Mark ablöste, bin ich in der Küstenstadt Rostock geboren, aufgewachsen und habe dort nach meinem Schulabschluss eine Ausbildung zur Rettungssanitäterin gemacht. Frei von Verpflichtungen bin ich danach aufgebrochen, um ein Jahr lang zu reisen, zu schreiben und Abenteuer zu erleben. Seit fast einem Jahr finde ich diese Abenteuer jetzt auch in Berlin, studiere hier und versuche, nicht zu oft in die falsche Bahn zu steigen.
1. Wann hast Du deinen ersten vorzeigbaren Text geschrieben und vorgezeigt?
Mit 17 Jahren habe ich für meinen Opa zum Geburtstag eine Kurzgeschichte geschrieben, angelehnt an eine gemeinsame Kindheitserinnerung.
2. Was würde für Dich fehlen, wenn es das Schreiben für Dich nicht mehr gäbe?
Schreiben ist für mich eine Art der Kommunikation durch Bilder. Wenn es das Schreiben für mich nicht mehr gäbe, würde ich trotzdem weiter Geschichten erzählen, obwohl die Arbeit mit Sprache und Texten natürlich fehlen würde.
3. Wenn man von Literatur spricht, denkt man zumeist unwillkürlich an Bücher. Wo begegnet Dir Literatur auch noch auf andere Weise oder wo suchst Du sonst noch Foren für das, was Du geschrieben hast?
In meiner Freizeit besuche ich sehr gerne das Theater oder gehe ins Kino. Abgesehen davon bin ich gerne und viel im Austausch mit Freunden über Literatur und Neuentdeckungen im Gebiet der Sprache.
4. Was ist für Dich im Vergleich zu anderen Künsten das Besondere an Literatur?
Schreiben kann und tut heute jede:r im alltäglichen Leben. Wir kommunizieren per Nachricht, SMS oder Mail. Es wird Tagebuch geschrieben und in der Schule schreibt man Aufsätze. Ein Autor / eine Autorin hat keine Ausrüstung, die einen Künstler / eine Künstlerin von einem Alltagstipper / einer Alltagstipperin unterscheiden könnte. Weder Farbe, Staffelei und Leinwand noch einen Instrumentenkoffer trägt ein Autor / eine Autorin über die Straße. Stifte, Notizblock, Laptop oder Tablet – jede Person auf der Straße hat davon irgendetwas immer dabei. Die Kunst der Literatur verbirgt sich in unserem Alltag und ist aber nur für Interessent:innen mit kleinem Schlüssel zu erreichen.
5. Schreiben kommt vom Lesen. Welches Buch hat Dich zuletzt inspiriert?
Dostojewskis Verbrechen und Strafe.
6. Was kommt nach dem Schreibsommer?
Ich werde weiter an meinen größeren Projekten arbeiten und dann abwarten, was mir auf meinem Weg noch begegnet.
1. Wann hast Du deinen ersten vorzeigbaren Text geschrieben und vorgezeigt?
Seit etwa zwei Jahren schreibe ich Prosatexte. Der Schreibsommer ist die erste Gelegenheit, einen dieser Texte mit anderen zu teilen.
2. Was bedeutet das Schreiben für Dich?
Schreiben bietet eine Möglichkeit, in mich zu gehen und über die Themen, die mich gerade beschäftigen, nachzudenken. Es ist gleichzeitig eine Chance, mich in neue Situationen hineinzudenken.
3. Schreiben kommt vom Lesen. Welches Buch hat Dich zuletzt inspiriert?
Emil und die drei Zwillinge von Erich Kästner.
4. Was würde Dir im Leben fehlen, wenn es das Schreiben für Dich nicht mehr gäbe?
Mir würde die Auseinandersetzung mit den Figuren fehlen, die beim Schreiben einen ganz besonderen Reiz für mich ausmacht.
5. Was kommt nach dem Schreibsommer?
Schreiben. Vom Schreibsommer komme ich mit vielen Impulsen und Ideen zurück.
Sebastian Vetter, bei Stuttgart geboren, studierte Schauspiel an der Theaterakademie Vorpommern. Im Anschluss arbeitete er als Gastschauspieler, u. a. in Leipzig und Berlin. Er lebt in Hamburg, wo er neben dem Schauspiel eine Produktionsfirma für Theatertrailer, NGO-Videos und Demomaterial für Künstler:innen gegründet hat.
1. Du hast schon einmal am Schreibsommer teilgenommen – wie hat sich Dein Schreiben seitdem entwickelt?
Seit meiner ersten Teilnahme blicke ich viel genauer auf meine Texte. Ich überprüfe meine Bilder auf Logik und Tragfähigkeit, wie wir es hier bis ins Detail gelernt haben.
2. Was sind Themen und Motive, die Dich beim Schreiben umtreiben?
Das Skurrile. Ich finde, das Skurrile und das Absurde sind das, was Menschen verbindet. Dass du die Welt komisch findest, dass die Welt dich komisch findet und dass du so absurd viel Mühe darauf verwendest, so zu tun, als wäre es nicht so.
3. Schreiben kommt vom Lesen. Welches Buch hat Dich zuletzt inspiriert? Oder was schätzt Du besonders an den Texten anderer Autoren?
Mich faszinieren sprachliche Bilder, die zugleich allgemeingültig und sehr präzise wirken. Ich mag es, wenn eine ehrliche Schönheit im Text spürbar ist, die mich häufig zum Weinen bringt. Dazu eignen sich z. B. Vom Ende der Einsamkeit (Benedict Wells), Was man von hier aus sehen kann (Mariana Leky) und insbesondere The Book Thief (Markus Zusak). Außerdem liebe ich es, wenn ausgelotet wird, wie absurd ein Text werden kann, ohne die Leserin zu verlieren, wie in Schlimmes Ende von Philip Ardagh, vorzugsweise gelesen von Harry Rowohlt.
4. Was machst Du, wenn Du beim Schreiben nicht weiter weißt?
Wenn ich bei einem Drehbuch hänge, höre ich Musik über Kopfhörer und versuche, den Film zu tagträumen. Das ist wie ein Zentrifugalentsafter, der meine groben Gedanken zu einem genießbaren Produkt verwertet. Wenn der Prozess gestört und der Deckel zu früh geöffnet wird, gibt es eine Riesensauerei und nichts Brauchbares bleibt übrig.
5. Was kommt nach dem Schreibsommer?
Gerade mache ich eine Weiterbildung zum Synchronsprecher. Dabei arbeitet man mit der kleinstmöglichen Einheit eines Films. Ein Satz, ein Laut, manchmal nur ein Atmer. Ich bin gespannt, wie dieses akribische Zerlegen eines Drehbuchs mein Schreiben verändern wird.
1. Wann hast Du Deinen ersten vorzeigbaren Text geschrieben und vorgezeigt?
Ich habe mich 2017 getraut, einen meiner Texte öffentlich zu lesen – beim Hallenser Open Mic im Café Ludwig. An dem Abend habe ich festgestellt, dass es mir einen unglaublichen Kick gibt, wenn ich aus meinem Publikum wenigstens einen Lacher herausgekitzelt bekomme.
2. Was sind Themen und Motive, Die Dich beim Schreiben umtreiben?
Die politische Gegenwart mit all ihren multiplen Krisen.
3. Wenn man von Literatur redet, denkt man zumeist unwillkürlich an Bücher. Wo begegnet Dir Literatur auch noch auf andere Weise oder wo suchst Du sonst noch Foren für das, was Du geschrieben hast?
Da ich von Beruf Buchhändler:in bin, lebe ich von der Begegnung mit Literatur. Aber auch jenseits von Ladenöffnungszeiten beschäftigt mich das geschriebene Wort. Abgesehen von Großveranstaltungen (siehe Buchmessen) besuche ich gerne kleine Lesebühnen, wie die Flensburger Umblättern. Austausch und Anregungen zu meinen eigenen Texten suche ich in der Regel bei Mitgliedern der Leipziger Lesebühne Apropos, die ich 2018 mitgegründet habe.
4. Schreiben kommt vom Lesen. Welches Buch hat Dich zuletzt inspiriert?
Auf allen Vieren von Miranda July. Sie schreibt einfach wahnsinnig witzig.
5. Was machst Du, wenn Du beim Schreiben nicht weiterweißt?
Mir verzweifelt die Haare raufen, den Text erst mal weglegen und/oder Freund:innen vortragen und Feedback einholen.
6. Was kommt nach dem Schreibsommer?
Hoffentlich weitere schöne Werkstätten und Lesungen!
Isabelle Lehn wurde 1979 in Bonn geboren und lebt als freie Autorin in Leipzig. 2016 las sie aus ihrem Debütroman Binde zwei Vögel zusammen beim Ingeborg-Bachmann-Preis. 2019 wurde ihr viel beachteter Roman Frühlingserwachen veröffentlicht. Im August 2024 erschien im Fischer Verlag ihr neuer Roman Die Spielerin.
Bertram Reinecke, 1974 in Güstrow geboren, lebt als freier Autor und Verleger (Reinecke & Voß) in Leipzig. Sein Band Sleutel voor de hoogduitsche Spraakkunst wurde auf die Liste der Gedichtbände des Jahres 2012 gewählt (Jury der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung und des Lyrikkabinetts München). Zuletzt erschien 2024 der Gedichtband Daphne, ich bin wütend (Poetenladen).