Schreibsommer 2022


Die Dokumentation

Um zu werkeln, zu tüfteln und zu schrauben, aber vor allem, um zu schreiben, reisen sie gemeinsam in das Camp der Poesie. Jedes Jahr scharen zwei Literaturdozent:innen eine kleine Gruppe Schriftsteller:innen aus dem Land um sich. Gemeinsam reisen sie in ein Camp der Poesie, um zu werkeln, zu tüfteln und zu schrauben, aber vor allem und über allem, um zu schreiben. Die sechs Jung-Poet:innen haben sich unter den vielen anderen Bewerber:innen mit ihren Texteinreichungen besonders hervorgehoben und wurden zu dem Arbeitsaufenthalt nach Prillwitz in die Mecklenburgische Provinz eingeladen. Am Ende stellen sie die Ergebnisse der Arbeit an ihren Texten vor und bewältigen eine Gemeinschaftsausgabe.

Der Schreibsommer (früher POETENCAMP) wird vom Ministerium für Wissenschaft, Kultur, Bundes- und Europaangelegenheiten Mecklenburg-Vorpommern im Rahmen der Nachwuchsförderung unterstützt und ab 2022 vom Literaturrat MV e.V. realisiert. Bis 2021 wurde er vom Literaturhaus Rostock durchgeführt. Weitere Informationen finden Sie hier.

Die Dozent:innen

Isabelle Lehn wurde 1979 in Bonn geboren und studierte in Tübingen, Leicester und Leipzig. Die promovierte Rhetorikerin lebt heute in Leipzig und ist am dortigen Literaturinstitut regelmäßig als Gastdozentin tätig. Außerdem ist sie Autorin des mehrfach ausgezeichneten Debütromans Binde zwei Vögel zusammen (Eichborn 2016). Zuletzt erschien ihr viel beachteter Roman Frühlingserwachen im S. Fischer-Verlag.

Bertram Reinecke, 1974 in Güstrow geboren, studierte in Greifswald Germanistik, Philosophie und Psychologie. Er ist Absolvent des Deutschen Literaturinstituts (DLL) und lebt als freier Autor und Verleger in Leipzig. Als junger Erwachsener nahm er selbst am Poetenseminar des Literaturhauses Rostock teil.

Von ihm erschienen sechs Lyrikbände (zuletzt Nur gries getupfte Reste von Gesängen, Mitlesebuch 141, Aphaia München 2017) und der Essayband Gruppendynamik. Daneben entstanden Hörkunstprojekte, Vorlagen für Werke der zeitgenössischen Musik und Erzählungen für Anthologien und Zeitschriften.


Die Teilnehmer:innen

Nina Baumann

Nina Baumann wurde 1996 in Itzehoe geboren. Nach dem Abitur begann sie 2015 zunächst ein Lehramtsstudium in Greifswald und wechselte später zum Bachelorstudiengang Germanistik und Anglistik/Amerikanistik, welchen sie voraussichtlich Anfang 2023 abschließen wird. 2021 wurden ihre ersten Lyrik- und Prosatexte in den Kunst- und Literaturmagazinen Gypsophila Art and Literary Magazine und Visio Magazine veröffentlicht. Auf ihrem Instagram-Account @ninanoabaum teilt sie eine Auswahl ihrer Texte sowie ihrer Kunstwerke, in welchen sie ihre Worte bildlich inszeniert und mit anderen Elementen verbindet. Aktuell arbeitet sie an einem Romanprojekt, mit welchem sie sich auch für das Stipendium Schreibsommer MV 2022 qualifizieren konnte.
 

Nina Baumann konnte leider krankheitsbedingt nicht am Schreibsommer teilnehmen. Deshalb gibt es kein Interview und keine Lesungsmitschnitte. 


Henni-Lisette Busch

Henni-Lisette Busch wurde 1994 in Rostock geboren. Hier studierte sie Germanistik und Soziologie im Bachelor und befindet sich nun mitten im Master Germanistik. 2018 wurde ihr erstes Buch VERdichtet verlegt. Die ersten wissenschaftlichen Publikationen ließen ebenfalls nicht lange auf sich warten. Als Mitglied des Autorenstammtisches Rostock und im Rahmen verschiedener kleiner Büchermessen hielt sie bereits einige Lesungen und freut sich über den Austausch mit anderen Autor:innen. Bereits 2021 hatte sie die Möglichkeit, am Schreibsommer teilzunehmen, und freut sich nun umso mehr, ein zweites Mal in den Genuss zu kommen.

Das Interview

1. Du hast bereits zuvor am Schreibsommer teilgenommen – wie hat sich das Schreiben seitdem weiterentwickelt?

Der letzte Schreibsommer war sehr wichtig für mein Schreiben. Danach habe ich mich nicht mehr daran orientiert, wie man „richtig“ schreiben sollte, sondern bin bei mir geblieben und konnte mehr für meinen Stil einstehen. Ich bin also authentischer und mutiger im Schreiben geworden.


2. Was sind Themen und Motive, die dich beim Schreiben umtreiben?

Momentan reflektiere ich gerne im Schreibprozess über das Schreiben selbst – poetologische Texte sind also ein Feld, in dem ich mich gerade ausprobiere. Doch genauso treiben mich Themen aus meiner unmittelbaren Lebenswelt um, wie zum Beispiel der Übergang vom Studium in eine nächste Lebensphase, die Orientierungslosigkeit, die damit einhergeht, und einer damit verbundenen Selbstvergewisserung und der Frage, ob man seinen Weg wirklich so gehen will.


3. Schreiben kommt vom Lesen. Welches Buch hat dich zuletzt inspiriert?

Inspiriert hat mich zuletzt tatsächlich Hermann Hesses Steppenwolf. Aber um mal ein moderneres Werk zu nennen: Sally Rooneys Gespräche mit Freunden hat mir sehr gut gefallen und mich dazu ermutigt, einen lakonischen bis flapsigen Ton im Schreiben anzuschlagen.
 

4. Welche digitalen und nicht-digitalen Schreibwerkzeuge und Hilfsmittel benutzt du beim Schreiben?

Vornehmlich schreibe ich am Laptop, ab und zu aber auch sehr gerne in Notizbücher. Das Schönste daran, in Notizbücher zu schreiben, ist, dass man keine Delete-Taste hat und alle Streichungen, Verschiebungen und überhaupt die gesamte Arbeit am Text sehen kann – einen graphisch festgehaltenen Denkprozess, den man im besten Fall erneut nachvollziehen kann.


5. Was machst du, wenn du beim Schreiben nicht weiterweißt?

Laptop zuklappen, aufstehen, rausgehen. Weg vom Text. Und meistens kommt dann noch ein Gedankenblitz. Manchmal muss ich einen Text aber auch länger liegen lassen, bevor ich mich ihm wieder widmen kann oder möchte.


6. Was kommt nach dem Schreibsommer?

Hoffentlich ein ergiebiger Schreibherbst und eine Publikation in einer Literaturzeitschrift.

Lesungsmitschnitt


Belinda Eisert

Belinda Eisert wurde 2002 in Rostock geboren. Sie wuchs in Schwaan auf und machte ihr Abitur in Rostock. Kurz nach dem Abschluss nahm sie ihr Studium auf, zunächst Sozialwissenschaften, bis 2021 dann der Wechsel zu Germanistik und Soziologie im Bachelor folgte. Derzeit arbeitet Belinda Eisert an einer Reihe kurzer Texte und einem Romanprojekt. Bevorzugt schreibt sie Prosa mit fantastischen oder Science-Fiction-Elementen. Sie hofft, schon sehr bald wieder in Austausch mit anderen Schreibenden treten zu können.

Das Interview

1. Wann hast du deinen ersten vorzeigbaren Text geschrieben und präsentiert?

Vorzeigbar ist schwierig. Vor fünf Jahren schrieb ich bereits Texte, die ich damals als vorzeigbar empfand, heute jedoch am liebsten vor der Welt verbergen möchte. Präsentiert (zumindest im privaten Kreis) ist ebenfalls schwierig. Da ich mit meinem Geschriebenen sehr offen umgehe und sehr gerne davon erzähle, Freunden und Bekannten auch gerne ab und an ein paar Kapitel zustecke, kann ich das auch nur schwammig beantworten. Doch ich denke, dass auf diese Frage das Literaturhaus eine zufriedenstellende Antwort liefern kann. Dort stellte ich im Rahmen eines Kurses für literarisches Schreiben zum ersten Mal meine Texte vor einer fremden Runde vor. Ebenso ist die Abschlusslesung in Neustrelitz eine kleine Premiere für mich, da ich dort mit Gewissheit sagen kann: Ich präsentiere meine vorzeigbaren Texte.


2. Was bedeutet das Schreiben für dich?

Schreiben ist für mich ein sehr wichtiger Bestandteil meines Lebens. Manchmal ist dieser Teil größer und manchmal so klein, dass ich ihn suchen muss. So oder so würde ich das Schreiben sowohl als Hobby als auch als Leidenschaft auflisten und hoffe, irgendwann mehr daraus machen zu können.


3. Wie, glaubst du, wird sich die Schriftkultur in den nächsten 50 Jahren verändern?

Durch Handy, Laptop und Co wird Literatur immer zugänglicher, tendiert aber auch dazu, knapper bis abstrakt (z. B. durch Emojis) zu werden. So begrenzt Twitter die Zeichenanzahl und auch auf Whatsapp entsprechen die Nachrichten wohl keinen altmodischen Briefen mehr. Schließlich schreibt man nicht unter jede SMS oder Whatsapp-Nachricht ein „Mit freundlichen Grüßen …“. Selbst die Nachrichten mit einem Punkt abzuschließen und keine Emojis zu verwenden, könnte zu einem verfremdeten Eindruck beim Gegenüber führen.


4. Welche digitalen und nicht-digitalen Schreibwerkzeuge und Hilfsmittel benutzt du beim Schreiben?

Ich arbeite sehr gerne am Laptop mit dem Programm Papyrus. Da ich oft und gerne große Projekte in Angriff nehme, liebe ich es, darüber Mindmaps anzufertigen, um alles bis ins kleinste Detail zu planen. Manchmal, wenn ich mich in einer Blockade befinde oder das Gefühl habe, einfach nicht die richtigen Worte zu finden, schreibe ich auch gerne in einem Notizbuch. Irgendwie hilft es mir dann, so ganz altmodisch mit Füller auf Papier ein paar Szenenentwürfe zu kritzeln. Dann bin ich in der Regel unbefangener und unkritischer mit mir selbst.


5. Schreiben kommt vom Lesen. Welches Buch hat dich zuletzt inspiriert?

Zuletzt kann ich leider nicht sagen, nur am meisten. Am meisten hat mich nämlich die Hunger-Games-Trilogie (Tribute von Panem) von Suzanne Collins inspiriert, vor allem thematisch. Als ich mich zum ersten Mal mit diesem Stoff auseinandersetzte, entstand bei mir direkt eine Faszination für dieses Konzept der Gegenüberstellung von Neu gegen Alt. Das futuristische Kapitol (und die damit verbundene Gesellschaftskritik) erweckte besonders meine Aufmerksamkeit. Noch Jahre später sind meine großen Projekte thematisch dieser Welt nahe, manchmal auch unabsichtlich.


6. Was kommt nach dem Schreibsommer?

Auf jeden Fall das Weiterschreiben. Ich möchte weitere Texte fertig stellen, vor allem die großen. Im Vordergrund steht für mich nämlich mein Romanmanuskript, an dem ich nun schon seit Langem arbeite und es nun überarbeite. Ansonsten möchte ich die Erfahrungen des Schreibsommers nutzen, um mich verstärkt nun auch an Kurzgeschichten zu versuchen.

Lesungsmitschnitt


Nora Großmann

Nora Lilith Großmann, 1996 in Lübeck geboren, zog für ihr Biomathematikstudium nach Greifswald. Seit 2016 ist sie als Klinikclown im Grypsnasen e. V. aktiv und Mitglied im studentischen Autorenverein GUStAV, wo sie sich mit anderen Schreibenden austauscht. Ein Auslandssemester führte sie 2019 nach Helsinki. Seit 2021 veröffentlicht sie Lyrik und Kurzprosa in Onlinemagazinen und präsentiert ihre Texte bei der Greifswalder Lesebühne Das stille Wörtchen. Im Dezember 2021 erschien ihr erstes Kinderbuch Rentiersuche (Book King Verlag).

Das Interview

1. Wann hast du deinen ersten vorzeigbaren Text geschrieben und präsentiert?

Das hängt davon ab, was man unter vorzeigbar versteht. Zu Schulzeiten habe ich gerne geschrieben und mochte kreative Hausaufgaben, wobei die Maßstäbe damals anders waren. Präsentiert habe ich den ersten Text vor fünf Jahren bei einer Lesung des studentischen Autorenvereins GUStAV. Die erste Version meines Kinderbuchs entstand vor zwölf Jahren.


2. Was bedeutet das Schreiben für dich?

Es ist eine Leidenschaft, die mich seit der Schulzeit begleitet, und ein kreativer Ausgleich neben meinem Studium. Meistens möchte ich ein Gefühl oder einen Gedanken einfangen. Ich experimentiere gerne damit, wie ich Spannung oder Humor erzeugen kann.


3. Wie, glaubst du, wird sich die Schriftkultur in den nächsten 50 Jahren verändern?

Ich denke, dass sich experimentelle Formen und Mischformen entwickeln werden, welche beispielsweise verkürzte Internetsprache aufnehmen. Ich kann mir auch eine Kombination mit anderen Künsten vorstellen. Da immer mehr auf digitalen Geräten gelesen wird, denke ich, dass sich Texte verkürzen. Vielleicht passt sich auch der Satzbau an, um die Aufmerksamkeit beim Lesen auf Bildschirmen zu lenken.


4. Was ist für dich im Vergleich zu anderen Künsten das Besondere an der Literatur? ODER: Welche digitalen und nicht-digitalen Schreibwerkzeuge und Hilfsmittel benutzt du beim Schreiben?

Bildende Kunst oder Musik erzeugen unmittelbare Sinneseindrücke, während sie in der Literatur erst in der Fantasie entstehen. Dafür können in der Literatur Gedanken ausformuliert werden.


5. Schreiben kommt vom Lesen. Welches Buch hat dich zuletzt inspiriert?

Vor Kurzem habe ich Der kleine Prinz von Antoine de Saint-Exupéry gelesen. Die fantasievolle und kindliche Art, die Welt zu beobachten und kritisch zu hinterfragen, hat mich fasziniert. Ähnlich ging es mir bei Herbst und Winter im Mumintal von Tove Jansson.


6. Was kommt nach dem Schreibsommer?

Bald steht die Verteidigung meiner Masterarbeit an und danach der Einstieg ins Berufsleben. Die Übergangsphase möchte ich nutzen, um ein Kinderbuchmanuskript zu überarbeiten und mich weiter mit Kurzprosa auszuprobieren.

Lesungsmitschnitt


Katarina Kersten

Katarina Kersten wurde 2002 in Waren geboren. Nach ihrem Abitur in Röbel studiert sie nun Germanistik und Anglistik im Bachelor an der Universität Rostock. Neben dem Studium arbeitete sie ein Jahr lang als Hilfskraft bei der Uwe-Johnson-Werkausgabe. Sie schreibt vor allem Miniaturen in Prosaform.

Das Interview

1. Wann hast du deinen ersten vorzeigbaren Text geschrieben und präsentiert?

Ab wann meine Texte vorzeigbar waren oder ob sie es jetzt sind, ist vermutlich Ansichtssache. Schritte in diese Richtung mache ich aber schon lange. Ich war bisher eher zurückhaltend mit der Präsentation und habe mich anlässlich des Schreibsommers in diesem Jahr erstmals bereit dazu gefühlt. Das war eine perfekte Gelegenheit, um professionelle Rückmeldung zu erhalten.


2. Was bedeutet das Schreiben für dich?

Worte funktionieren für mich wie ein Ventil, vor allem in geschriebener Form. So habe ich die Möglichkeit, Gedanken und Gefühle zu sortieren und sie aus einer neuen Perspektive zu betrachten. Dabei geht es mir nicht nur um Selbstbeobachtung, sondern auch darum, mein Umfeld und die Menschen darin besser zu verstehen. Aus der sicheren Distanz einer anderen Welt fällt das meist viel leichter. Außerdem ist Schreiben für mich die schönste Art, Momente festzuhalten.


3. Wie, glaubst du, wird sich die Schriftkultur in den nächsten 50 Jahren verändern?

Ich bin überzeugt, dass Menschen auch in 50 Jahren noch Texte schreiben und lesen werden, allerdings mehr in digitaler und verkürzter Form. Meine Hoffnung ist, dass ihre Bedeutung dennoch nicht verloren geht.


4. Welche digitalen und nicht-digitalen Schreibwerkzeuge und Hilfsmittel benutzt du beim Schreiben?

Mir hilft es sehr, immer und überall Gedanken und Ideen aufschreiben zu können, unabhängig davon, wie banal sie im ersten Moment erscheinen. Laptop, Tablet und Handy sind diesbezüglich meine treuen Begleiter. Wichtig ist, dass der Text sich schnell und einfach überarbeiten (oder wieder löschen) lässt.


5. Schreiben kommt vom Lesen. Welches Buch hat dich zuletzt inspiriert?

Loveless von Alice Osemann. Und sehr viele andere Bücher, in denen Charaktere sich selbst besser kennenlernen.


6. Was kommt nach dem Schreibsommer?

Der Schreibsommer war eine sehr wertvolle Erfahrung und hat mir geholfen, einen neuen Blick auf meinen Schreibprozess zu bekommen. Die Ratschläge haben mich inspiriert und motiviert, weiter zu schreiben und dabei Gelerntes umzusetzen. Ich habe vor, meine Texte nun öfter bei Wettbewerben einzureichen und mich regelmäßig mit anderen Autoren auszutauschen.

Lesungsmitschnitt


Marvin Wils

Marvin Wils ist in Neustrelitz aufgewachsen und 2019 nach Rostock gezogen, um dort die Fächer Deutsch und Sport auf Lehramt zu studieren. Mit seinem ersten Romanmanuskript Das Cursor Vermächtnis gewann er den Annalise-Wagner-Jugendpreis 2018 und hielt im Rahmen dessen erste Lesungen. Seither probiert er sich vor allem an Kurzgeschichten, aber auch größeren Projekten, die stets eine Prise Fantasy enthalten.

Das Interview

1. Wann hast du deinen ersten vorzeigbaren Text geschrieben und präsentiert?

Das kommt ganz darauf an, wie wir vorzeigbar definieren, haha. Ich glaube, eine meiner ersten Geschichten habe ich mit neun geschrieben und stolz meiner Mutter gezeigt. Die Story war ihrer Meinung nach okay, hatte aber circa 20 Rechtschreibfehler auf zehn Zeilen (hatte damals eine sehr große Schrift).


2. Was bedeutet das Schreiben für dich?

Es ist eine Art Meditation. Mach den Laptop an, öffne das Schreibprogramm und ich bin für eine Stunde kurz weg. Darüber hinaus ist es Verarbeitung und Auslebung. Ein bisschen vergleichbar ist es mit Sport: Mach ich es nicht, geht es mir schlecht. Passiert mir im Leben irgendein Mist, ziehe ich richtig durch. Und bleibe ich beständig und mache es regelmäßig, werde ich besser.


3. Wie, glaubst du, wird sich die Schriftkultur in den nächsten 50 Jahren verändern?

Schwierige Frage. Wahrscheinlich werden die Texte, die wir konsumieren, kürzer, weil die Aufmerksamkeitsspanne der Menschen nicht mehr so groß ist. Es wird wahrscheinlich immer weniger große Autoren geben, die jeder kennt, sondern viele kleine, die sich in ihren Nischen einnisten. In Kunst und Musik passiert das auch.
 

4. Was ist für dich im Vergleich zu anderen Künsten das Besondere an der Literatur?

Stephen King hat es in seinem Buch über das Schreiben als Telepathie bezeichnet. Der bzw. die Lesende verbindet sich mit den Gedanken des/der Schreibenden. Dies schafft eine unheimliche Intimität zwischen Autor:in und Leser:in, ohne dass sie sich jemals begegnet sind. Das kann ein Musikstück oder ein gemaltes Bild vielleicht auch, aber diese Werke sind kurzweiliger. Eine Geschichte kann uns stundenlang in eine andere Welt entführen und mit Figuren bekannt machen, die es so niemals geben würde. Ein bestimmtes Thema lässt sich außerdem nie so ausführlich und mehrperspektivisch durchdringen wie mit einem guten Sachbuch.
 

5. Schreiben kommt vom Lesen. Welches Buch hat dich zuletzt inspiriert?

Im Grunde gut von Rutger Bregman. Es geht kurzgefasst um die sehr provokante These, dass der durchschnittliche Mensch im Grunde gut sei, dass das Böse nicht in uns schlummert und wir gar nicht so egoistisch sind, wie wir denken. Böses tun wir demnach oft nur, weil wir denken, es sei gut oder würde einer höheren Sache dienen. Wie auch immer man dazu nun steht: Meinem Schreiben hat es geholfen. Denn Antagonisten unterscheiden sich in einer guten Geschichte meist gar nicht so sehr vom Protagonisten. Meist will er auch nur etwas Gutes, hat die richtigen Motive, aber den falschen Weg eingeschlagen, weil er verzweifelt ist oder geblendet wurde. Wenn man es bei der Leserschaft schafft, den Gedanken Aber irgendwo hat er Recht hervorzurufen, dann hat man vieles richtig gemacht, glaube ich.


6. Was kommt nach dem Schreibsommer?

Ich bin mir ziemlich sicher, dass bei vielen von uns die Antwort ähnlich lauten wird: Irgendwann wollen wir etwas Größeres veröffentlichen. Tatsächlich habe ich hier gerade ein Buch neben mir liegen, das kurz davorstehen könnte. Ich habe noch ein großes Manuskript auf dem Laptop, das in die erste Überarbeitung muss. Und es stehen noch ein paar Projekte für Wettbewerbe an. Zu tun habe ich auf jeden Fall und doppelt so viel zu lernen.

Lesungsmitschnitt


Die öffentliche Lesung und der Gemeinschaftstext

Ein gemeinsames Schreibprojekt, gelassene, lockere Stimmung und die Kreativität sprühte nur so aus den Teilnehmenden. Nach sechs Tagen des intensiven Schreibworkshops präsentierten die sechs Teilnehmenden des Schreibsommers MV am Donnerstag, dem 16.06.2022, ihre eigenen Texte und ein gemeinsames Schreibprojekt in der Alten Kachelofenfabrik in Neustrelitz.

Die Schriftstellerin Isabelle Lehn und der Schriftsteller und Verleger Bertram Reinecke lobten die Schreibenden, von denen einige zum ersten Mal ihre Texte vor Publikum vorlasen. Spätestens als sie auf der Bühne ihre Texte vortrugen, waren die Sorgen vergessen und man merkte ihnen die Aufregung kaum an. Die Texte waren dabei so verschieden, wie die Schreibenden selbst – Nora Grossmann, Katarina Kersten, Belinda Eisert, Henni-Lisette Busch und Marvin Wils. Nina Baumann konnte leider krankheitsbedingt nicht an der Lesung teilnehmen, weshalb die Autorin Kathrin Vieregg mit einem eigenen Text einsprang.

Die Schreibenden verfassten unter anderem Prosatexte mit alltäglichen Beobachtungen, Miniaturtexte oder Kurzgeschichten mit fantastischen Elementen, die das Publikum begeisterten. Nach den einzelnen Lesungen wurde das gemeinsame Schreibprojekt vorgestellt, das die Kreativität der Teilnehmenden gefordert hatte, denn sie interpretierten die Legende von Prillwitz neu. Entstanden sind sechs lustige, informative und melancholische Texte, die das Publikum zum Schmunzeln oder zum Nachdenken anregten.

Im Anschluss der Lesung wurde noch entspannt auf den erfolgreichen Abend angestoßen und sich angeregt ausgetauscht. Insgesamt betrachtet war die Abschlusslesung ein überzeugendes Ende des Schreibworkshops.