Fachtag Schreiben und Migration

Am 29. März fand im Peter-Weiss-Haus der Fachtag Schreiben und Migration statt. Unter anderem wurden die Projekte „Weiter Schreiben“ und „Gefundene Briefe“ vorgestellt.

In seiner Begrüßung verwies Ralph Kirsten auf die Verantwortung, die auch das Literaturland MV in Bezug auf Menschen mit Migrationshintergrund trägt: Es besteht die Verpflichtung, sich gezielt mit den Menschen auseinanderzusetzen, die ins Land migrieren.

Grußwort von Jana Michael, Integrationsbeauftragte des Landes MV

Jana Michael umriss die Situation für Menschen mit Migrationshintergrund in MV: Landesweit wird Hetze gegen geflüchtete Menschen betrieben. Die rechte Szene, von der diese Hetze ausgeht, ist sehr gut organisiert. Davon ausgehend beschrieb Michael die Aufgaben, die für Institutionen und Zivilgesellschaft anstehen: real und online eine Front gegen Diskriminierung zu bilden und damit möglichst früh (in der Kita) zu beginnen. Genannt wurden von ihr bestehende Aktivitäten des Landes, wie Beratungsstellen und Hotlines für Kinder. Obwohl das Teilhabegesetz auch für Menschen mit Migrationserfahrung gilt, sind keine Menschen mit Migrationsgeschichte in der Landespolitik zu finden. In Ausbildungsstätten, wie der Hochschule Güstrow, zeigt sich ein ähnliches Bild. Jana Michael rief noch einmal dazu auf, im Sinne einer interkulturellen Öffnung nicht über Menschen zu sprechen, ohne die, um die es geht, einzubeziehen.

Ein weiteres wichtiges Thema ist laut Michael „Muslimisch sein in MV“: Gerade Frauen mit Kopftüchern werden systematisch angegangen und trauen sich beispielsweise gar nicht mehr, sich auf bestimmte Stellen zu bewerben. Migrierte Frauen seien systematisch benachteiligt, was sich in einem geringen Anteil auf dem Arbeitsmarkt und deutlich niedrigerer Bezahlung zeigt. Jana Michael verwies darauf, dass bereits Aktivitäten mit Bezug zu Migration und Literatur im Land zu verzeichnen sind, wie das Projekt „Meet your neighbour“, Kinderbücher von Tutmonde und die Schreibwerkstätten Tribsees und Rostock.

Lesung von Raifeh Mansour al Masri

Die Autorin und Journalistin Raifeh Mansour al Masri stellte einen eigenen Text vor, den sie auf Arabisch verlas. Matthias Schümann trug die gemeinsam mit der Autorin erarbeitete deutsche Übersetzung vor. Der Text beschäftigte sich auf poetische Weise mit Flucht und Migration, mit Heimatverlust, der Auseinandersetzung mit der früheren Heimat und dem Ankommen in einer neuen Umgebung.

 

Annika Reich und Dima Albitar Kalaji: Vorstellung des Projekts „Weiter Schreiben“

„Weiter Schreiben“ ist eine literarische Plattform für Autor*innen aus Kriegs- und Krisengebieten. Seit 2017 übersetzen, illustrieren und publizieren wir auf unserem Onlineportal weiterschreiben.jetzt Lyrik und Prosa aus dem Arabischen, Persischen und Tigrinischen – auf Deutsch sowie im Original. Wir verbinden Schriftsteller*innen im Exil mit renommierten deutschsprachigen Autor*innen in Tandems und veranstalten gemeinsame Lesungen. Wir tun das, weil das Weiterschreiben, Weitergelesen- und Gehörtwerden für Schriftsteller*innen existentiell ist – und weil wir die Texte als unschätzbare Bereicherung der hiesigen Literaturlandschaft begreifen.

Der Impuls, das Projekt zu starten, kam aus dem Bedürfnis von geflüchteten Autor*innen in Deutschland, an ihren Texten, an ihrer Literatur zu arbeiten, also weiterzuschreiben. Als Form wurde das Tandem als kleinste Einheit oder Zelle gefunden. „Weiter Schreiben“ verstehen die Initiatorinnen nicht als Hilfsangebot. Es ist ein Angebot für Autor*innen, die Schwierigkeiten haben, in ihren Heimatländern zu leben und zu arbeiten, und bietet ihnen Möglichkeiten, zu publizieren.

Die (online oder im Magazin veröffentlichten) Texte, die sie schreiben, sind frei im Thema. Selten wird die Flucht selbst thematisiert (wobei das Grauen der Flucht aber stets präsent ist). Die Übersetzungen der Texte sind eine wichtige Säule: Die literarischen Übersetzungen werden in Absprache mit den Autor*innen erstellt. Hierbei ist es wichtig, mit professionellen Übersetzer*innen zusammenzuarbeiten, da die Erfahrung gemacht wurde, dass eine Übersetzerin den Sinn des Textes wegen ihrer politischer Ansichten veränderte.

Ein wichtiger Aspekt ist auch die muttersprachliche Kuration der Autor*innen. Gleichwohl gibt es immer wieder Missverständnisse. So ist zum Beispiel in vielen Ländern das Prinzip des Lektorats unbekannt und wird als Eingriff in die Autonomie des Textes empfunden.

 

Friedrich Brockmann: Projektvorstellung „Gefundene Briefe“

Das Projekt soll einen literarischen Austausch zwischen Menschen mit und ohne Migrationserfahrung in MV schaffen. In angeleiteten Schreibworkshops verfassen die migrantischen Teilnehmer*innen Briefe (auf ihrer Muttersprache). Diese werden übersetzt und an deutsche Teilnehmende gegeben, welche (ebenfalls in Workshops) auf die Briefe antworten. Auch die Antworten werden übersetzt, sodass ein kleiner Briefwechsel entsteht. Bei Einverständnis der Beteiligten sollen die Briefe veröffentlicht werden.

In einer anschließenden Diskussionsrunde wurden Erfahrungen aus anderen Projekten geteilt und daraus Anregungen für die Gefundenen Briefe abgeleitet.

Workshops

Am Nachmittag teilten sich die Anwesenden in zwei Gruppen, um getrennt an Workshops teilzunehmen.