Anlässlich des 400. Geburtstages von Sibylla Schwarz und dem Erscheinen des ersten Bandes der kritischen Gesamtausgabe (Sibylla Schwarz, 1621–1638, Kritische Ausgabe, Werke, Briefe, Dokumente, Bd. 1, Hg. Michael Gratz, Reinecke & Voss, Leipzig 2021) würdigen vier Autorinnen das Werk der barocken und viel zu jung verstorbenen Greifswalder Literatin mit Texten, die an ihr Leben, Werk und ihr Selbstverständnis als Schreibende anknüpfen.
So nimmt Theresa Steigleders Text mit einem Motto aus Schwarzens Auß dem Lob einer Nachmusic die barocke orphische Euphorie als Anlass, der Bedeutung der Clubkultur lyrisch nachzuspüren, gerade vor dem Hintergrund ihres coronabedingten Erliegens.
Anne Martin wendet sich mit dem lyrischen Du direkt an die Dichterin in deren geistiger und landschaftlicher Umwelt. Dabei werden die Konzeptionalisierung von Liebe und Selbst hinterfragt und diskursive sowie visuelle Brücken geschlagen von der Boddenlandschaft von vor 400 Jahren bis zu ihrer heutigen technologisierten Form.
Auch Silke Peters schließt mit ihrer lyrischen Kurzprosa an Schwarz‘ Werk als detaillierte und lebendige Beobachtung der pommerschen Landschaft an, in der Introspektion und Naturbeschreibung ineinander fallen. Der Kosmos des Gartens wirkt wie ein Subjekt, ein Gegenüber, fast als einziger „Quarantänekontakt“.
Angelika Janz thematisiert besonders mit Blick auf Sibyllas frühen Tod in ihrer Gedichtauswahl die Aspekte von Jugend, Weiblichkeit und dem Schreiben als Welthaltung. Im Spannungsfeld von Bindung und Autonomie, Freiheit und Form treten die Sprache und das Schreiben selbst als leibliche Bewegung und Kraft in Erscheinung, die bewältigt, vorantreibt, um zu sich selbst zu gelangen.
Dr. Michael Gratz spricht als Herausgeber über die Wiederentdeckung der pommerschen Sappho und den Spagat, den doppelten Anspruch, dem sich seine Edition als wissenschaftliche Ausgabe für Barockspezialisten sowie als Leseband für Interessierte verpflichtet fühlt.